Ex-BASF-Chef Jürgen Hambrecht: "Wir haben alle vom billigen Gas profitiert"

"Als Chef des Chemiekonzerns BASF hat Jürgen Hambrecht große Deals mit Gazprom geschlossen, um russisches Gas nach Deutschland zu holen. Er würde es wieder tun, sagt er – und zweifelt an den Sanktionen gegen Russland.

DIE ZEIT: Herr Hambrecht, wir haben uns verabredet, um über Deutschlands Weg in die Abhängigkeit von russischem Gas zu sprechen. Andere Verantwortliche ducken sich bei dem Thema lieber weg ...

Jürgen Hambrecht: Kein Wunder! In der öffentlichen Diskussion wurde vieles sehr vereinfacht dargestellt, und die Begleitumstände der Zeit wurden vergessen. Stattdessen gab es vor allem Schuldzuweisungen. Da haben nur wenige Lust zu reden. (...)

ZEIT: Wie billig war das russische Gas?

Hambrecht: Das war wie ein Aldi-Effekt, der Preis hat sich für uns mehr als halbiert.

ZEIT: Was haben Sie bezahlt?

Hambrecht: 3,2 Cent pro Kilowattstunde. Diesem Preis verdanken wir unter anderem die niedrige Inflationsrate in Deutschland und einen Teil unseres Wohlstands in den vergangenen Jahrzehnten. Und bis zum ersten Streit zwischen Russland und der Ukraine über den Gaspreis im Jahr 2005 lief alles reibungslos. Russland war ein absolut verlässlicher Partner. (...)

ZEIT: Dieser Streit war dramatisch: Putin wollte die Gaspreise für die Ukraine drastisch erhöhen. Als die protestierte, drehte er dem Land mitten im Winter das Gas ab. Trotzdem haben Sie die Russen verteidigt.

Hambrecht: Ich habe nicht das Vorgehen verteidigt, aber ich konnte die Unzufriedenheit der russischen Seite nachvollziehen. Das ist ein Unterschied. Die Ukrainer waren zu der Zeit deutlich weniger verlässlich. Sie haben damals vermutlich illegal Gas aus dem Pipelinenetz entnommen.

ZEIT: Das wissen Sie sicher?

Hambrecht: Nein, aber bei uns kam Gas aus der Ukraine an, das Ukrainer uns verkauft haben. (...)

ZEIT: Wie hat Putin sich verhalten?

Hambrecht: Er war immer allerbestens informiert. Seine Augen waren stets auf uns gerichtet. Er hat zuerst andere reden lassen und genau beobachtet, wie wir antworten. Dann hat er uns kreuz und quer kritische Fragen gestellt. Er wollte uns testen. Darauf konnte man sich kaum vorbereiten. Das war sehr beeindruckend. (...)

Ich frage mich übrigens: Sind diese Sanktionen gegen Russland das richtige Mittel, wenn russisches Gas und Öl dann eben als Flüssiggas oder als Ölprodukte nach Europa kommen? In der verflochtenen Weltwirtschaft ist das doch gar nicht verhinderbar. So machen jetzt andere daraus ein noch größeres Geschäft.

ZEIT: Die Russen verkaufen ihr Öl und Gas jetzt zum Beispiel an Länder wie Indien und China, aber die westlichen Sanktionen treffen die russische Wirtschaft durchaus. Wollen Sie im Ernst weiter russisches Gas beziehen?

Hambrecht: Es ist gut, dass wir die Abhängigkeit vom russischen Gas stark reduzieren. Aber es ist langfristig vielleicht nicht richtig, dass wir uns komplett von diesem Markt zurückziehen. Ich bin dagegen, moralische Kategorien festzulegen wie im Moment. Ist es wirklich richtig zu sagen: Das ist ein Schurkenstaat, mit dem reden wir nicht? "

Die ZEIT


 

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