»Offener Brief an den Deutschen Bundestag und den Bundeskanzler
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Merz, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
während Sie und viele Abgeordnete auf Panzer und Ra keten zählen, zählen wir in Städten und Gemeinden jeden Euro zweimal. Während Sie Milliarden über Milliarden in Rüstung, Aufrüstung und Auslandseinsätze pumpen, kämpfen wir vor Ort ums Über/eben unserer sozialen und kommunalen Infrastruktur - ja, unserer Heimat und unseres Wohlstands.
Wir auf Hiddensee wollen Wohnungen bauen, unsere Schule sanieren und digitalisieren - und endlich eine eigene Schulsporthalle errichten. Unsere Häfen brauchen neue Molen, und in den Hochwasserschutz muss dringend investiert werden. Genauso in unsere Feuerwehren und Infrastruktur für Insulaner und Gäste.
Doch dafür, heißt es, fehle das Geld. Keine „Sondervermögen", keine „Zeitenwende", kein „Bündnis für unsere Heimat". Stattdessen: Haushaltssperren, Bürokratie, Kürzungspläne und Prüfaufträge.
Nun wird in Mecklenburg-Vorpommern ein ,,Investitionsgipfel" mit großem Tamtam gefeiert - 1,92 Milliarden Euro aus einem Sondervermögen für das ganze Land.
Klingt nach viel, doch in Wahrheit verteilt sich die Summe auf zehn Jahre - also rund 192 Millionen! Euro jährlich für das gesamte Bundesland.
Doch wie viel davon kommt tatsächlich bei den Kommunen an? Wer entscheidet, welches Projekt gefördert wird - und wer leer ausgeht? Und wie sollen davon über 700 Städte und Gemeinden im Land ernsthaft profitieren, wenn allein auf Hiddensee bereits Millioneninvestitionen für Schule, Wohnungsbau und Küstenschutz notwendig wären?
Was uns fehlt, sind keine Überschriften mit Milliardenbeträgen - sondern verlässliche Mittelzuweisungen, Planungssicherheit und eine gerechte Beteiligung auch kleiner Gemeinden.
Besonders absurd wird die Lage im Vergleich zu anderen Ausgaben: Während für alle Kommunen in MV 1,92 Milliarden Euro für zehn Jahre bereitstehen, stellt der Bund allein im Jahr 2025 rund 7 Milliarden Euro für Waffenlieferungen und militärische Unterstützung der Ukraine bereit - Jahr für Jahr mehr, ohne öffentliche Debatte über Prioritäten.
Dazu kommen rund 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr sowie mehr als 70 Milliarden Euro Verteidigungsetat jährlich - mit steigender Tendenz.
Und die NATO-Vorgabe von 2 Prozent des BIP bedeutet für Deutschland bald über 100 Milliarden Euro pro Jahr - dauerhaft.
In wenigen Jahren wird Deutschland für das Militär mehr ausgeben als für Bildung, Gesundheit oder Wohnungsbau zusammen.
Und wer bezahlt das? Nicht Rheinmetall. Nicht Lockheed Martin. Nicht General Dynamics. Nicht die USA, die jüngst Patriot-Raketen versprechen und liefern.
Sondern wir - die Bürgerinnen und Bürger.
Wir, die Kommunen, Städte und Gemeinden, sehen, wie der Sozialstaat - und mit ihm unsere Heimat - schleichend ausgeblutet wird. Während Milliarden für Kampfjets, Leopard-Panzer und Rake ten freigemacht werden, fehlt uns das Geld für Schulen, Lehrerstellen, Feuerwehren, Gesundheitsversorgung, Rentnerinnen und Rentner, Wohnungsbau und Katastrophenschutz.
Die Bundesregierung hat sich offenbar entschieden: Für Aufrüstung, für Schulden, für Kriegstüchtigkeit - und gegen soziale Gerechtigkeit, gegen kommunale Handlungsfähig keit, gegen Vernunft.
Daß Sie all das noch mit „Verantwortung für kommende Generationen" rechtfertigen, ist schwer zu verstehen. Die se Generationen werden die Schulden bezahlen - wenn über Panzer hoffentlich längst nicht mehr geredet wird.
Es braucht jetzt ein konsequentes Umsteuern zugunsten der Kommunen und unserer Heimat:
- Investitionen in B. Schulen, Wohnungen, Krankenhäuser, Feuerwehren, ÖPNV und Pflege statt in Kriegsgerät.
- Eine Rückbesinnung auf das Friedensgebot des Grundgesetzes und das Gewaltverbot der UN-Charta.
- Und wenn, dann endlich Sondervermögen für den sozialen Zusammenhalt, für unsere Heimat und für den Frie den - nicht nur für militärische Abenteuer.
Unser Land braucht keine Panzerpatenschaften - es braucht eine Sozialdividende, eine Bildungsoffensive und ein echtes lnfrastrukturpaket. Und es braucht den politischen Mut, sich dem Rüstungswahn zu widersetzen.
Denn Frieden wird nicht auf dem Schlachtfeld gewonnen - sondern in der Schule, in be zahlbaren Wohnungen, im Mit einander unserer Gemeinden und auf dem Spielplatz.
Ich hoffe sehr, dass viele Kolleginnen und Kollegen in der Politik - aber auch alle, die hier zu Hause sind - diese Einsicht teilen und sich anschließen.
Mit nachdrücklichen Grüßen
Thomas Gens
Bürgermeister der Insel Hiddensee“