„Mehr Gebäudesanierung“ –
plötzlich ruft die Industrie verzweifelt nach Klimaschutz.
"Weil der Wohnungsneubau stockt, fordert die Industrie eine massive Sanierungswelle. Die Forderungen gehen über die Vorstellungen von EU und Bund hinaus, die Kosten für Steuerzahler wären gigantisch, die Folgen für Eigentümer und Mieter enorm. Dennoch sei es eine Win-Win-Situation. (...)
Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) sorgt sich um den Klimaschutz im Gebäudesektor. In einem Positionspapier mit dem Titel „Für mehr energetische Sanierung und mehr energieeffizienten Neubau“ stellt der Verband einen umfassenden Katalog mit 14 Forderungen an die Politik vor. (...)
In fast jeder Kategorie, von Mindeststandards über Gebäude-Ressourcenpässe bis hin zur Verbrauchsüberwachung, übertrifft der BDI dabei sogar die aktuellen Vorhaben der Bundesregierung und der Europäischen Union. So heißt es beispielsweise in dem Papier, das WELT vorliegt: „Der BDI hält Mindestenergieeffizienzstandards auch bei den energetisch schlechtesten Wohngebäuden für denkbar, um diese Gebäude bis 2045 klimaneutral machen zu können.“
Selbst im „Green Deal“ der EU-Kommission ist kein verbindlicher Mindeststandard vorgeschrieben, stattdessen überlässt es Brüssel den Mitgliedsstaaten, wie sie die schlechtesten Gebäude, die „worst performing buildings“, aufbessern wollen. (...)
Der BDI geht nun deutlich weiter. „Die Energieversorgung der Gebäude muss vollständig auf CO2-neutrale Energieträger umgestellt und der Energiebedarf im Durchschnitt halbiert werden“, heißt es in dem Papier, und weiter: „Das bedeutet, dass der Großteil der Gebäude in Deutschland in den nächsten 20 Jahren energetisch saniert werden und schnellstmöglich klimaneutrale Wärmelösungen zum Einsatz kommen müssen.“ (...)
Die Kosten allein für die Sanierungsvorschläge dürften einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag pro Jahr erreichen und neue finanzielle Belastungen für Hausbesitzer und Mieter nach sich ziehen – wenn sie tatsächlich umgesetzt würden. Für die Neubau-Forderungen dürfte ein dreistelliger Milliardenbetrag noch dazukommen. (...)
Die Förderung für Sanierungsfahrpläne müsse wieder auf 80 Prozent der Kosten hochgefahren werden. Was viele Hausbesitzer allerdings oft aus eigener Erfahrung bereits wissen: Es fehlen kompetente Fachleute, die ein Gebäude inklusive Heizungstechnik überhaupt verlässlich „berechnen“ können.
Die Lösung des BDI: „Bis 2030 müssen fast 400.000 Fachkräfte, u. a. Architekten, Energieberater und Fachplaner, zusätzlich gewonnen werden, um die für das Klimaschutzziel 2030 geforderte Modernisierungswelle umsetzen zu können.“ Sonst sei die Anforderung, bis 2030 annähernd doppelt so viele Gebäude in Deutschland zu sanieren wie bisher, nicht zu bewältigen. (...)
Nach Rechnung des Verbands müsste pro Jahr Finanzmittel von mindestens 19 Milliarden Euro bereitgelegt werden, um die Forderungen zu erfüllen. Vonovia-Vorstandschef Rolf Buch schätzt die Kosten für eine solche Sanierungswelle dagegen auf jährlich etwa 100 Milliarden Euro. "